03.07.2025
Roger Kuratle gibt mit dem Halbjahresbericht 2025 einen Überblick über laufende Projekte und präsentiert die Aussichten für die zweite Jahreshälfte.
To read the half-year report in English, click here.
Geschätzte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Liebe Kolleginnen und Kollegen
Sehr geehrte Kunden, Partner und Lieferanten
Wir haben die Mitte des Jahres erreicht und während wir uns normalerweise entspannt in Richtung Sommer mit schönem Wetter und anstehenden Schulferien der Kinder freuen würden, sind wir an allen Fronten stark gefordert.
Globale Eckdaten
Gerne möchte ich auf drei verschiedene Ebenen eingehen. Beginnen wir mit der dritten respektive einer geografisch entfernten Ebene, die uns als Unternehmung nur indirekt betrifft. In den USA ist das politische und daraus ableitend auch das ökonomische Umfeld sehr volatil geworden und kaum noch abzuschätzen. Während man zwar versucht, in Szenarien zu denken, können die Tagesausbrüche von Märkten so gravierend sein, dass Schlussfolgerungen für den globalen Finanzmarkt und seine weitere Entwicklung sich von Tag zu Tag drastisch verändern – ob nun bezogen auf die Inflation, Zinsentwicklung und Währungskurse oder auf die politische Landschaftskarte mit ihren Auswirkungen auf Friedensbemühungen oder weiterer Instabilität des Friedens.
Die letzten Tage haben wiederum gezeigt, wie fragil und global vernetzt die Welt ist. Die Auswirkungen vom Krieg zwischen Israel und Iran haben die ohnehin schon sehr angespannte Situation weiter verschärft. Als Familienvater, aber auch als verantwortliche Führungsperson unseres Familienunternehmens beschäftigt mich die Situation, die wir derzeit erleben. Denn in der Schweiz können wir nur solange in einem «sichereren Hafen» handeln und leben, wie dies auch für unsere geographischen Nachbarn gilt.
Zu Beginn des Jahres hatte der Bulletin of the Atomic Scientists (eine gemeinnützige Organisation zu Fragen von Wissenschaft und Sicherheit im Zusammenhang mit dem technologischen Fortschritt) seine Doomsday Clock (die symbolisch anzeigt, wie nah die Welt am Abgrund steht) erneut eine Sekunde näher an die Mitternacht gerückt. Ich denke, mit den Ereignissen der letzten Tage hat sich die globale Lage eher verschlechtert. Wenn man diese Entwicklung versucht, in die letzten rund 80 Jahre einzuordnen, ist dies leider ein enttäuschendes Resultat für die Gesellschaft.
Bausektor Europa
Auf einer weiteren, der zweiten Ebene stellen wir fest, dass im europäischen Bausektor ebenfalls viele ungeahnte Entwicklungen eintreffen könnten. In der Schweiz ist der Bausektor gut ausgelastet und wir dürfen aktuell grosse Volumen stemmen. Der Absatz ist vorhanden, Investoren werden tätig und noch nie hat es so viele Grossprojekte gegeben, welche mit dem Baustoff Holz geplant sind. Auch der Innenausbau hat sich in der Absatzmenge dieses Jahr wieder leicht erholt.
In der umliegenden EU sieht es anders aus. Gerade in Deutschland ist von einer grossen Aufbruchstimmung – oder genauer gesagt: von einer Aufholstimmung – noch nichts zu spüren. Sicherlich: Es gibt viele Impulse und erste Anzeichen deuten auf eine sich verbessernde Lage hin. Um diese Stimmung zu beschreiben und eine Prognose zu machen – dafür gibt es bekanntlich viele Kennzahlen oder Indikatoren, welche man heranziehen kann, um eine mögliche Entwicklung abzuschätzen. Seien dies einfache Zahlen wie Baugesuche, Kreditvergaben, Bevölkerungszuwachs, fehlende Wohnungen, Anzeichen für Verknappungen oder Preisentwicklungen im Rundholzbereich, Auslastungszahlen von der Industrie, Konsumstimmungsbarometer und viele mehr. Hinzu kommen entsprechende weitere Ereignisse, welche nicht vorhersehbar respektive schwierig in ihrer Ausgangslage einzuschätzen sind wie Naturkatastrophen, Friedensbemühungen, Auswirkungen von Zöllen zwischen grossen Volkswirtschaften. Mixt man nun unter diese Vorzeichen noch Themen wie technologische Disruptionen (KI) oder mögliche verzerrende Berichterstattungen hinzu, ergibt dies ein sehr anspruchsvolles Umfeld.
An dieser Stelle bin ich froh auf einen starken Verwaltungsrat zurückgreifen zu können mit viel Erfahrung und breitem Fachwissen, um unsere Unternehmung in den relevanten Bereichen bestmöglich auf die wahrscheinlichsten Szenerien auszurichten. Zurzeit gehen wir davon aus, dass sich in Deutschland die geplanten Massnahmen der Politik massgeblich im Jahr 2026 bemerkbar machen werden.
Unsere Kuratle Group
Auf der ersten Ebene, die wir direkt beeinflussen können, sind wir als Unternehmung aktuell stark gefordert.
Zum aktuellen Zeitpunkt beschäftigt uns in Leibstadt vor allem der Transformationsprozess in der Logistik, der für unsere Kunden grosse Vorteile bringen wird. Das ist eine enorme Herausforderung. Die Mitarbeitenden zeigen zurzeit sehr grossen Einsatz und geben mehr als 100 Prozent. Dessen sind wir uns bewusst und ich zolle allen Beteiligten meinen grossen Respekt dafür. Drei Jahre nach dem Projektstart des Lagerführungssystems (LFS) stehen wir nun an unserem Hauptstandort kurz vor dem Go-live. Mit der Einführung von LFS legen wir das Fundament, um unsere Infrastruktur in der Logistik wieder auf ein zuverlässiges und ausbaufähiges Fundament zu stellen. Aufgrund des gestiegenen Volumens ist es für uns zwingend notwendig, eine Basis und Prozesse zu schaffen, welche unserer Mitarbeitende stärker befähigen statt hindern wird. Für diesen Veränderungsprozess bedarf es eines starken Willens und eines Einsatzes aller Beteiligten. Sinnbildlich für alle, welche zurzeit diesen ausserordentlichen Einsatz leisten, steht bei uns Senad Karalic, CEO Meier Logistik. Für den Einsatz des gesamten Logistik-Teams sowie dem Projektteam bedanke ich mich besonders.
Ebenfalls neu wird es in unserer Logistik Nachtschichten geben. Es ist für uns eine weitere Massnahme zur besseren Verteilung der Aufträge und um die Infrastruktur in den Spitzen zu entlasten. Die Nachtschichten starten wir in eher kleinen Teams und wir werden laufend versuchen, mit den gemachten Erfahrungen deren Einsatz zu optimieren.
Das Kassettenlager (Hochregallager für Stangenware), dessen Bau wir bereits im April finalisiert hatten, konnten wir Anfang Juni erfolgreich in Betrieb nehmen. Dadurch haben wir die Kapazitäten in der Belagerung von Stangenwaren nochmals auf verdichtetem Raum erhöhen können. Der neugewonnene Platz in der Lagerhalle wurde wiederum für die HTA Mittelland AG und deren neue Abbundanlage Hundegger Speed-Cut 480 eingesetzt, wodurch wir Kundenaufträge noch individueller umsetzen können.
Auch eine neue Maschine für Streicharbeiten von Konstruktionsholz konnten wir in Betrieb nehmen. Sie steht bei unserer Partnerfirma Witholz. Das versetzt uns in die Lage, Werkstoffe mit einer Breite bis 300 mm und einer Höhe bis 600 mm am Standort in Witznau (DE) maschinell zu streichen. Bisher musste dies von Hand ausgeführt werden.
Bei den Bahngleisen, die wir in Leibstadt renoviert haben, sind die Investitionen grösstenteils abgeschlossen. Zurzeit versuchen wir Lösungen zu finden, um mit Partnern ein nachhaltiges und flexibles Anlieferungskonzept umsetzen zu können.
Die Nachfolgeregelung der Thüring AG (Kuratle News 05/2025) war ein strategisch wichtiger Schritt für uns. Ich bin den zur Kuratle Group gestossenen Mitarbeitenden in Basel sowie dem Projektteam und allen, die sich aktiv an der Integration der Thüring AG unter das Dach von Kuratle & Jaecker beteiligt hatten, äusserst verbunden.
Mit unseren Aktivitäten in Südafrika zu Beginn dieses Jahres konnten wir unser Angebot für Gesamtlösungen rund ums Holz weiter ausbauen. Dank der Zusammenarbeit mit der Xlam South Africa LTD PTY (Kuratle News 04/2025) gelang es uns kürzlich, ein Grossprojekt in der Nähe von Kapstadt zu gewinnen. Dieses spannende Objekt, die Weinfarm «4G Wine Estate», geht auf die Entwürfe des englischen Stararchitekten David Chipperfield zurück. Die Entwicklung in Südafrika ist sicherlich ebenfalls geprägt von starken Schwankungen, jedoch sind wir als Gruppe stolz, dass wir uns auch hier kontinuierlich weiterentwickeln.
Aussichten 2025
Es gilt festzuhalten, dass trotz der beunruhigenden Ebenen, welche wir nicht direkt beeinflussen können, wir uns in unserem Wirkungsumfeld positiv weiterentwickeln, weiter investieren und wir Menschen im Team haben, welche an das Positive der kommenden Veränderungen und an die Zukunft glauben.
Mit Blick auf die zweite Jahreshälfte freue ich mich auf den Tag der offenen Tür am 6. September. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Erwartungsvoll sehe ich auch der Messe Holz 2025 einen Monat später in Basel entgegen. Kuratle & Jaecker wird erstmals gemeinsam mit dem starken Partner Novatop einen Stand in völlig neuem Design präsentieren. Er wird ein Beispiel für Dialog und Partnerschaft sein.
Dialog statt Konfrontation – unter dieses Motto stelle ich auch die aktuellen geopolitischen Entwicklungen. Und dies gilt ja auf allen Ebenen. Auch bei uns intern und gerade in einem Umfeld unter hohem Druck sind der Dialog und ein respektvoller Umfang miteinander zwingend.
Bezüglich De- und Eskalation in der Welt blicke ich gespannt auf die nächsten Monate und kann den verantwortlichen Politikern nur mitgeben, dass sie als Vertreter der Gesellschaft handeln und nicht den Eigennutz im Blick haben sollten. Es ist teilweise eine befremdende Entwicklung, dass wir vielen Entschlüssen auf hohen Ebenen der Wirtschaft und Politik teilweise mit Reglementen, Gesetzen und Initiativen entgegensteuern müssen. Stattdessen braucht es Führungspersonen mit einem gesunden Menschenverstand und die Fähigkeit des Vorlebens und der Eigenkontrolle.
In der Politik wie in der Wirtschaft braucht es Persönlichkeiten, welche mit Werten inspirierend führen können. Dies hat eine ansteckende Wirkung und ich gebe sie hier unserer gesamten Unternehmensgruppe mit auf den Weg. Wir alle sind zu gleichen Teilen verantwortlich dafür, wie unsere Kundschaft uns wahrnimmt. Egal um welche Unternehmung es sich handelt – wir werden stets als Kuratle Group wahrgenommen.
Momente zwischen Vergangenheit und Zukunft
Schliessen möchte ich mit einer persönlichen Bemerkung. In den zurückliegenden Wochen konnte ich das ein oder andere Mal meine Kinder mit nach Leibstadt bringen. Sie kommen jetzt in ein Alter, in dem sie für vieles ein Verständnis entwickeln. Zum Beispiel für unsere Maschinen und Arbeitsgeräte – und was man mit ihnen machen kann. Bei meinem Sohn Lorenzo stehen vor allem die Stapler, Bagger und LKW hoch im Kurs. Als er da war, wollte er am liebsten den ganzen Tag im Stapler sitzen.
Wenn ich meine Kinder beobachte, erinnere ich mich, wie ich selbst zum ersten Mal mit unserer Unternehmung in Berührung kam. Meine persönliche Begeisterung entstand für Menschen, welche gemeinsam als Team einer übergeordneten Sache dienen, sowie für alles, was mit Maschinen zu tun hat. Beides möchte ich meinen Kindern positiv vermitteln: den Respekt zu den Menschen hinter einer Dienstleistung, die Begegnung mit unserem wunderbaren Werkstoff Holz und die Vielseitigkeit unserer Arbeitsgeräte, die den Werkstoff bewegen und bearbeiten. Man kann dann etwas besser verstehen, wenn man es selber auch gemacht hat. Das war schon immer die Devise unserer Familie – vor allem bei den Tätigkeiten im Produktions- und Logistikwesen.
Meine Danksagung
Der Transformationsprozess in der Logistik, von dem ich zu Beginn gesprochen habe, besitzt momentan höchste Priorität. Deswegen richtet sich mein besonderer Dank an die Mitarbeitenden der Logistik, an das ganze Projektteam und an den Support der Mitarbeitenden von anderen Standorten oder Abteilungen. Sie sind es, die im Moment tagtäglich gefordert sind, eine erhöhte Arbeitslast stemmen und die Extrameile gehen. Ich drücke euch allen meinen herzlichsten Dank und meinen vollen Respekt aus. Ich bin zuversichtlich, dass wir durch die aktuellen Massnahmen schon bald effizientere und angenehmere Arbeitsprozesse haben werden. Ich bin wirklich auch besonders in diesen herausfordernden Zeiten sehr stolz, diese Unternehmensgruppe leiten zu dürfen, und es erfüllt mich mit unglaublicher Freude, wenn wir als Unternehmen beweisen, dass Menschen gemeinsam Lösungen entwickeln und erarbeiten können.
Ich freue mich auf das kommende zweite Halbjahr.